Na? Habt Ihr alle eine weiße Weste? Ich hoffe doch nicht, denn das wäre tierisch langweilig – so ganz ohne Farbtupfer, die arme Weste.
Und falls doch, holen wir sie mal aus der verstaubten Versenkung und rocken das Ding!
Die Weste hat schon einiges auf dem Buckel. Im 15. Jahrhundert trug man sie unter dem Justaucorps, einem langen, weit ausstehendem Frack. Darunter passte das Wams, der Vorläufer der Weste. Ein Wambius wiederum war die Polsterung von mittelalterlichen Ritterrüstungen und wurde im 13. Jahrhundert auch bei der Zivilbevölkerung en vogue.



Die zu Beginn noch langen Ärmel schrumpften immer mehr, genauso wie die Westenlänge. Mitte des 18. Jahrhunderts trug Mann das gute Stück nur noch bis zur Hüfte, Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Taille. Übrigens schlüpften auch Frauen um diese Zeit schon in ihre Westen, jedoch vornehmlich in Osteuropa und Russland. Bei uns trauten sich erst die emanzipierten Damen der 1920er hinein – und feierten damit ihre Unabhängigkeit vom bisherigen Mode-Diktat.



Anzugjacke und Weste bildeten schon immer ein eingeschworenes Team. Eine Weste ohne Jackett zu tragen war undenkbar! Denn nur die Vorderseite einer traditionellen Weste besteht aus dem Anzugstoff. Die Rückseite wird aus Futterstoff gefertigt. Es galt als höchst unfein, das „unfertige“ Kleidungsstück komplett zu zeigen. Deshalb entstand Mitte des 19. Jahrhunderts die Smokingjacke (deutsch „Raucherjacke“) Diese wurde ursprünglich nur angezogen, wenn die Herren vor oder nach dem Essen in das Raucherzimmer gingen und verhindern wollten, dass die restliche Kleidung den Rauchgeruch annahm. Da die Damen zu der Zeit nicht oder nur selten rauchten, war die Smokingjacke eine Geste an die Damenwelt.



Aber über den großen Teich schaffte es die wilde Weste, und zwar ganz alleine! Die Cowboys kümmerten keine Konventionen, und so trugen sie das Teil aus praktischen Gründen ganz cool obendrüber – als festen Bestandtag der Alltagskluft.Die feine Gesellschaft indes blieb konservativ, hüben wie drüben: Noch heute zeigt Mann seine Weste nicht ohne Sakko.

Ha! Wie gut, dass wir keine erwachsenen Männer sind! Denn nur für uns hat die österreichisch-holländische Designerin Dymphna Bock Faasen die olle Weste vom Joch der Jacketts befreit und ihr einen ganz wunderbaren neuen Style verpasst: Bunt, rockig, flauschig, individuell. Für Mädchen, für Jungs, für alle. Schaut Euch die tollen Bespiele meiner Nähkollegen in der Galerie hier unten auf dieser Seite an!
Was? Ihr habt das letzte Mal 1985 eine Weste zur Aufführung der Flötenschulschola getragen? Na, dann wird’s aber Zeit!
Wer die Wilde Weste selbst nähen möchte, findet hier die Anleitung dazu. (Und Ihr braucht noch nicht mal eine Overlock dazu!!)
Wer nicht, beauftragt einfach die Schneiderin seines Vertrauens 😉
Achja. Und wenn Ihr irgendwo mal ein Gilet seht, dann ist das kein neuer Nassrasierer für makellose Damenbeine. Sondern just das französisch-österreichisch-schweizer-bayrische Wort für ein altbekannte Kleidungsstück.
So. Und nun schwingt Euch in Eure bunte Weste und ab aufs Pony!
Yee-haaaaaw!
Fotos Text: Wikkimedia Commons – alle rechtefrei
Fotos Galerie: Bianca Bär, Caroline Hartung, Claudia Reinberger, Franziska Weber, Jennifer Renz, Joanna Guie, Johanna Ebinger, Julia Hilgart, Katharina Zimmer, Katja Mair, Melanie Linnow, Miriam Faßbender, Sunny Doodad, Svenja Kleinfeld, TiNi, Ulli Irschick, Yvonne Weber, Patricia Boy